Hast du schon einen Job?
“Hast du dir mal überlegt, was du in Singapur machen willst?”
“Hast du schon einen Job?”
“Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“
Glaubt mir, diese Fragen werden früher oder später auf euch zukommen, wenn ihr ohne Jobperspektive mit eurem Mann ins Ausland zieht. Mir ist das auf jeden Fall so widerfahren. Fragen zu meinem beruflichen Fortschritt erhalte ich beinahe täglich, aber nicht einmal wurde ich bisher gefragt, ob ich überhaupt vorhabe zu arbeiten. Es wird sich vielmehr nach dem Zeitpunkt erkundigt.
Die Neugierde oder auch das Interesse ist ganz natürlich und kommt von Freunden, Verwandten und sogar fremden Leuten aus Social Media gleichermaßen. Und obwohl ich die Anteilnahme an unserem Leben im Ausland generell sehr zu schätzen weiß, finde ich Fragen derart offen gesagt etwas unsensibel. Gleichermaßen ist mir aber bewusst, dass sie eigentlich aus einem Gesellschaftskonstrukt rühren, das uns alle in unserem Denken und entsprechend auch unseren Fragen beeinflusst. Dass man durch die Frage nach der beruflichen Beschäftigung eine gewisse Erwartungshaltung projiziert, ist dem Fragesteller möglicherweise nicht einmal bewusst, denn für ihn/sie steht ja außer Frage, dass ich arbeiten werde. Wie der Arbeitsmarkt hier aussieht, ob ich überhaupt eine entsprechende Arbeitsgenehmigung habe oder gar arbeiten möchte, das wird dabei allerdings unbeachtet gelassen.
Es gibt tatsächlich aber auch solche, die ihr Interesse anders formulieren. In den Fragen steckt keine Erwartung, kaum oder wenig Implikation. Eine ehemalige Kollegin schrieb mir letztens zum Beispiel folgendes: “Habt ihr beide einen Job in Singapur, oder musste einer von euch einen Kompromiss eingehen?” Meist kommen solche Fragen von denjenigen, die selbst schon ihre eigene Erfahrung im Ausland gemacht haben.
Die Wortwahl “Kompromiss” ist dabei ganz treffend, denn es ist tatsächlich so, dass in der Konstellation des beruflichen Auslandsaufenthalt als Paar eine/r zurückstecken muss und das ist offensichtlich nicht die Person, welche für die Firma ins Ausland geschickt wird. Dennoch steht der andere Partner gleichermaßen vor Herausforderungen und vor allem vor einer ganzen Menge Arbeit.
Umzugs-Manager ist auch ein Job
Der Weg ins Ausland erfordert eine Menge Durchhaltevermögen, Organisationstalent und Stressresistenz. Das hat nicht jeder mit in die Wiege gelegt bekommen, wir im Übrigen auch nicht. Man muss daran arbeiten, über sich hinauswachsen, weitermachen. Und so groß der Wunsch nach Veränderung auch ist, am Ende bedeutet der Umzug ins Ausland vor allem eins: Ziemlich viel Arbeit bevor man in den Genuss des neuen Lebens kommt.
Um den ganzen Aufwand zu stemmen, bietet es sich für Paare an, die Arbeit konkret aufzuteilen. Idealerweise geht in der letzten Phase des Umzugs nur noch einer „zur Arbeit“. Bei einer Entsendung oder einem Expat-Vertrag ist das in der Regeln derjenige, der auch im neuen Land arbeiten wird. Der andere bleibt zu Hause und kümmert sich um den Umzug und all die organisatorischen Themen, die damit einhergehen, ist also eine Art „Umzugs-Manager“. Das geht natürlich nur, wenn es finanziell machbar ist. Ich habe auch von Expat-Spouses gehört, die haben bis zum letzten Tag vor dem Umzug in ihrem Job gearbeitet. Diejenigen hatten aber entsprechend auch mehr Hilfe oder Unterstützung beim Umzug selbst. Wir haben das so gemacht, dass ich meinen festen Job aufgegeben, und mich bereits ein halbes Jahr vor dem tatsächlichen Umzug selbstständig gemacht habe. So konnte ich flexibler agieren, war viel zu Hause um Dinge nebenbei zu organisieren und habe parallel die Haushaltskasse mit aufgefüllt. Ich hatte großes Glück, dass mein Beruf das so hergibt, denn das funktioniert natürlich auch nicht bei jedem so.
Wenn man sich aufteilt, also einer die Arbeit „zu Hause macht“, während der andere weiterhin „arbeiten geht“, sollte man sich auch ein dickes Fell zulegen. Denn leider wird von unserer modernen Gesellschaft der Job der Hausfrau/ des Hausmann nicht mehr wirklich anerkannt. Ganz zu schweigen von der Organisation eines Umzugs und sei er nur in ein anderes Viertel in der gleichen Stadt. Denn, das „bisschen Haushalt“ und die Organisation „macht man doch so nebenbei“. Wir sind so aufgewachsen, haben gelernt, dass das eben so gemacht und entsprechend auch erwartet wird. Trotzdem: Ein Umzug – und vor allem einer ins Ausland – bedeuten eine Unmenge an Arbeit und viel Organisation.
Nachdem wir in Singapur angekommen sind, war mein Job als „Umzugs-Manager“ im Übrigen nicht beendet. Primär deshalb, weil wir vorerst in ein Service Apartment gezogen sind. Der tatsächliche Umzug in „unsere“ Wohnung stand somit noch an. In der Zwischenzeit gab es aber allerlei weiteres Organisatorisches zu tun: Visum, Arbeitserlaubnis, Wohnungsbesichtigungen, Mobilfunkverträge abschließen, Absprachen mit dem Logistikunternehmen, das Einfinden in die neue Umgebung: Einkaufen, Kochen, Eingewöhnung.
Der Aufbau eines sozialen Netzwerks bedarf Zeit und Aufwand
Nicht zu verachten ist auch der soziale Part, denn neben dem Umzug, gilt es natürlich auch, sich in dem neuen Land einzugewöhnen, Freunde zu finden, ein Netzwerk aufzubauen. Das ist gar nicht so leicht, wie es sich anhört, denn man hat da ein ganz neues Leben in einem anderen Land, das es erstmal zu organisieren gilt. Und wenn einer von morgens bis abends arbeiten ist, dann bleibt nicht viel Zeit um die Freizeit zu organisieren. Deshalb waren wir froh, dass ich mich um den Großteil der Themen kümmern konnte.
Leider kamen speziell in dieser Zeit bei uns dann auch verstärkt Fragen aus der alten Heimat bezüglich meiner Beschäftigung. Dass ich selbst gerade in dieser Zeit unter der sozialen Isolierung, dem auftretenden Heimweh, Existenzfragen und einigen anderen Themen gelitten habe, das wurde dabei leider weniger berücksichtigt. Fragen, was ich denn nun den ganzen Tag machen würde, haben mich da nur zusätzlich unter Druck gesetzt und auch ein wenig gekränkt…
Natürlich ist mir auch bewusst, dass nicht jeder die Situation nachvollziehen kann, wenn er sie nicht selbst erlebt hat, aber auch insbesondere dann, wenn es kein echtes, vorzeigbares Ergebnis gibt. Zum Beispiel ist bei unserem Umzug so einiges schief gegangen, einige Möbel kamen beschädigt an, andere hatten wir gleich in Berlin gelassen und wollten diese neu besorgen (das musste auch einer machen), an der Wohnung gab es leider ein paar wesentliche Makel und darüber hinaus ist auch eine Menge fremdverschuldet durcheinander gekommen. Es hat mich viel Zeit und Nerven gekostet, einen Überblick in dem Chaos herzustellen und dann noch mal mehrere Wochen, um das Chaos zu beseitigen. Dazu waren Absprachen mit verschiedensten Parteien in Singapur und Deutschland notwendig, manche Sachen musste ich auch erst in Erfahrung bringen, andere dazulernen… Ich bin heute, Monate nach unserem Umzug, noch in der Verhandlung mit der Versicherung und dem Logistikunternehmen. Das sind alles Themen, über die man nicht gerne redet und die am Ende auch kein zufriedenstellendes Ergebnis vorbringen – zumindest kann man das von Außen sehr schwer erkennen. Zum Glück habe ich einen verständnisvollen Partner, der mich immer unterstützt hat und sehr dankbar war, für all die Dinge, die ich so unterm Radar organisiert habe.
Ein gewisser Rhythmus ist für die Stabilität im Alltag sehr wichtig – gerade im Ausland wo alles andere neu ist
Jetzt, ein halbes Jahr nach unserem Umzug, pendelt sich langsam der Alltag ein. Wir sind in unsere Wohnung gezogen, haben inzwischen beinahe alle Möbel und unsere Sachen verstaut. Um nicht von allen Eindrücken überfordert zu werden, ist es wichtig, auch eine gewisse Stabilität im Alltag einzubauen. Die haben wir mit einem speziellen Rhythmus und einer großen Ordentlichkeit gefunden. Alles hat hier seinen Platz. Wir wissen, wo der nächste Supermarkt ist, wo wir Lebensmittel zum günstigeren Preis bekommen, welche Gerichte wir hier kochen können und welche nicht. Wir wissen, wo wir essen gehen können, wo es gut schmeckt, wo der nächste Kiosk ist, wenn wir bei der Hitze durstig sind… Wir haben unsere Pläne fürs Wochenende, wir haben einen Staubsauger, einen Wischmop und einen Putzplan. Wir haben einige sportliche Aktivitäten für uns gefunden, kennen die Parks zum Ausspannen in der Nähe, haben einige Strecken für gut befunden, andere nicht. Wir haben erste regelmäßige Aktivitäten, die wir in der Freizeit vornehmen, wir haben soziale Kontakte, ja, beinahe schon Freundschaften geschlossen…
Mir ist bewusst, dass Eigenlob nicht gerne gesehen wird, aber ich muss an dieser Stelle sagen wie es ist: Das habe alles ich organisiert. In einem fremden Land, ohne soziales Netzwerk, ganz allein, während Daniel arbeiten war. Darauf bin ich stolz. Denn auch wenn das von anderen nicht so richtig gesehen oder erkannt wird, dann ist es vor allem eins gewesen. Eine enorme Arbeit.
Zeit zum Durchatmen
So langsam kommen wir hier an. Somit kann auch langsam ich nochmal zu Sinne kommen, mich zurücklegen, entspannen, stolz darauf sein, was ich alles geleistet habe und kann mich um mich kümmern. Was will ich hier machen? Diese Frage stelle ich mir, ja. Und ich werde auch schon etwas finden. Aber auf den Druck schnell eine anerkannte Arbeit zu finden, auf den könnte ich tatsächlich verzichten.
2 Comments
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Verena
Liebe Christiane, vielen Dank für deine Nachricht – da freue ich mich ja sehr! Ich denke, es gibt viel mehr Frauen (und Männer) die in dieser Situation sind. Es spricht nur kaum einer darüber… Mich würde mal interessieren, wo du hingezogen bist? 🙂
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Christiane
Vielen Dank für diesen Text. Auch ich bin der “Kompromissträger” und empfinde das als ebensolche Herausforderung wie Du auch wenn ich einen (evt. selbstgemachten) Druck fühle wieder zu arbeiten. Danke, auch das Private Management als nicht gerade geringe Leistung zu sehen.