Warum das Leben als „Expat Wifey“ alles andere als perfekt ist

Ganze zwei Monate ist es her, dass ich das letzte Mal in diesem Expat Diary gepostet habe. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, worüber ich schreiben sollte. Das Jahr 2020 fliegt an uns vorbei und doch kann ich von nichts berichten.

Unser Leben in Singapur hat sich als so viel anders herausgestellt, als wir es uns ausgemalt haben. Und das meine ich leider nicht nur positiv. Versteht mich nicht falsch. Singapur ist großartig und ich kann mich glücklich schätzen, diese Erfahrungen zu machen und ein Leben zu führen, in dem es mir auf den ersten Blick an nichts fehlt. Auch über die Annehmlichkeiten, die man als “Expat Wife” in Singapur dazubekommt, kann ich mich nicht beklagen: Mit dem Grab herumkutschiert werden, tolles Wetter das ganze Jahr über und das Yoga Studio gleich gegenüber sind nur einige der Dinge, die ich ohne großen Aufwand Tag für Tag genießen kann. Aber materielle Dinge sind eben nicht alles, und Luxus macht nicht unbedingt glücklicher. Tatsächlich bemerke ich bei mir sogar das Gegenteil: Die (vermeintlichen) Annehmlichkeiten bringen eine Last mit sich, die mir das Gefühl gibt, mich nicht beklagen zu dürfen. Immerhin bin ich doch in einer viel besseren Position als so viele andere, gerade aktuell in der Pandemie.

In letzter Zeit habe ich einige Kommentare zu meinem Lebensstil erhalten, den ich bei Instagram regelmäßig mit Freunden und Familie teile. Dabei hatte ich zuvor eine ganze Weile lang gar nichts gepostet, weil ich mich nicht inspiriert, ja schon beinahe deprimiert von meinem immer gleichen Alltag gefühlt habe und ich es für belanglos hielt, die immer gleiche Kulisse zu teilen. Nach einer Weile wurde mir aber klar, dass ich mich mit dem Abmelden aus Social Media auch in gewisser Weise vom echten Leben abgeschaltet habe. Zumal ich meine Freunde in Singapur wegen der Pandemie sowieso schon nicht regelmäßig treffen kann, geschweige denn diejenigen in Deutschland. Wenn ich dann weder an ihren Leben teilhaben kann, noch andere an meinem teilhaben lasse, was bleibt mir dann? Ich für meinen Teil habe durch das Nicht-Posten eigentlich nur noch zusätzlich das Gefühl der Non-Existenz untermauert, virtuell wie im echten Leben. Deshalb beschloss ich ab irgendeinem Punkt, dass ich mich wieder mehr am (sozialen) Leben beteiligen und entsprechend mehr posten sollte, so trivial und immer-gleich mir meine Aktivitäten selbst auch vorkamen. Und da wir in Singapur nicht viel mehr machen können als essen zu gehen und am Pool abzuhängen, ist die Message ziemlich eindeutig: Ich bin entweder am Pool, oder in einem Restaurant, habe immer einen Drink in der Hand und lasse es mir also so richtig gut gehen. Wie es mir dabei hinter der Kamera wirklich geht, das kann keiner sehen.

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Denn nur weil ich Bilder von meinem Aperol Spritz vor einem fantastischen Ausblick poste, heißt das noch lange nicht, dass mein Leben auch tatsächlich so picture-perfect ist. Eigentlich ist es sogar ziemlich traurig, wenn man mal darüber nachdenkt, dass Drinks, Ausblicke und Sonnenbäder momentan die einzigen Dinge sind, die ich erleben kann. Auf Dauer kann das ganz schön eintönig werden. Aufmerksame Follower haben vielleicht auch bemerkt, dass ich keine Bilder mehr von mir poste. Die Wahrheit ist, dass ich mich selbst nicht mehr sehen kann. Nicht nur wegen der Maske, die immer und überall die Hälfte meines Gesichts verdeckt, sondern auch wegen meiner Augen, die irgendwie nicht mehr leuchten. Vielleicht hat das was damit zu tun, dass ich in Singapur seit über sechs Monaten kein freundliches, lächelndes Gesicht mehr gesehen habe – abgesehen von denen der Menschen, mit denen ich esse (das erklärt vielleicht die vielen Bilder aus Restaurants?). Ich selbst lache – abgesehen von diesen Situationen – auch kaum mehr, was meine Emotionen keinesfalls anhebt. Ich kann mich tatsächlich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal strahlend durch Singapur gelaufen bin. Wozu auch. Sieht ja doch keiner.

Ganz ehrlich, ich brauche eine Pause von dem allen. Ich fühle mich ausgelaugt. Und dabei habe ich noch nicht einmal einen Job, auf Grund dessen ich tatsächlich körperlich ausbrennen könnte. Aber wahrscheinlich ist genau das das Problem: Ich habe nichts, was mich anspornt, fühle mich uninspiriert und einfach total unmotiviert. Und gleichzeitig setze ich mich selbst extrem unter Druck “durchzuhalten”, einen Job zu finden, produktiv zu sein, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Ich weiß, das Jahr 2020 war bisher für uns alle ein hartes Jahr. Wir haben viel durchgemacht, viele haben ihren Job verloren oder machen sich zumindest Sorgen um ein geregeltes Einkommen, vielleicht auch um ihre Gesundheit. Wir alle haben besondere Herausforderungen erlebt. Unsere psychische Gesundheit hatte im Jahr 2020 viel zu bewältigen. Und wie ich eingangs sagte, fühle ich mich nicht wirklich in der Position, mich beklagen zu dürfen, da mein Leben von Außen betrachtet doch so perfekt und unbeschwert erscheint. Aber das ist es eben im Moment nicht.

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1 Comment

  • Sabine

    Großartiger Artikel. Vielen Dank für deine Offenheit, du sprichst mir aus der Seele!

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