Ein Jahr in Singapur: Ein Rückblick

Wow. Was für ein Jahr.

Heute vor genau einem Jahr sind wir in Singapur angekommen, voller Vorfreude auf unser Abenteuer im Ausland. Noch konnten wir nicht ahnen, dass uns schon kurze Zeit nach unserer Ankunft eine globale Pandemie überrollen und unser Leben für immer verändern würde. Aber obwohl das Jahr so ganz anders abgelaufen ist, als wir es uns wohl je hätten vorstellen können, wollte ich den Zeitpunkt dennoch nutzen, um über unser erstes Jahr in Singapur Revue passieren zu lassen.

OKTOBER 2019

An einem Donnerstagnachmittag sind wir in Singapur angekommen und wurden nach kurzer Einreise mit einem Shuttle Bus zu unserem Serviced Apartment gebracht, das wir über Daniels Firma für die Übergangszeit bis zum Einzug in unser eigenes Apartment zur Verfügung gestellt bekommen hatten. Nachdem wir unsere sieben Sachen (wir hatten tatsächlich sieben Koffer) in das geräumige Apartment gebracht hatten, gingen wir sofort ins Jypsy Restaurant, das in unmittelbarer Nähe liegt. Bereits beim Pre-Move-Visit hatten wir hier gegessen und an jenem Abend die Entscheidung gefällt, das Abenteuer Singapur zu wagen. Also empfanden wir das Restaurant als idealen Ort um den ersten Abend zu verbringen. Nach dem Essen kauften wir im angeschlossenen Restaurant-Shop noch eine Handseife, womit wir unser Zuhause für die kommenden Wochen ein wenig gemütlicher und persönlicher gestalten wollten und fielen danach totmüde ins Bett.

Am nächsten Tag sollten wir zu Daniels neuem Arbeitsplatz fahren, um einige wichtige Unterlagen für unsere Arbeitsgenehmigungen abzuholen. Wir nahmen uns auch die Zeit, um mit einer Kollegin von Daniel Mittag zu essen. Die Gerüche im für Singapur so typischen Hawker Center waren für unsere noch an die deutsche Zeit gewöhnten Mägen etwas gewöhnungsbedürftig, aber da ich mich in den letzten Tagen in Berlin erkältet hatte, kam mir die warme Gemüsesuppe ganz gelegen.

Da wir von nun an im Serviced Apartment auch kochen und uns verpflegen mussten, stand als Nächstes ein Großeinkauf auf dem Plan. Wir brauchten alles: Von frischen Lebensmitteln über Backwaren und Gewürze mussten wir uns von Grund auf neu ausstatten, jedoch im Hinterkopf behalten, dass wir demnächst ja nochmal umziehen würden. Außerdem stelle sich schnell heraus, dass es dem Serviced Apartment an vielen Dingen fehlte. Wir hatten zum Beispiel nur zwei Wassergläser, keine Schere, kaum Kochutensilien und auch alltägliche Dinge wie etwa ein Wäscheständer fehlte gänzlich. Das war einer dieser Momente, in denen uns klar wurde, dass wir hier nicht zum Urlaub machen hergekommen waren. Umso mehr erpicht waren wir darauf, so schnell wie möglich eine eigene Wohnung zu finden, also setzten wir uns am selben Tag noch an den Laptop und suchten nach Wohnungen in der Gegend.

Die kommenden Tage verbrachten wir mit vielen organisatorischen Erledigungen und schauten uns auch bereits die ersten Wohnungen an. Da sich schnell herausstellte, dass die Suche doch ein wenig länger dauern würde und wir uns obendrein sowieso noch in etwa sechs Wochen gedulden mussten, bis unser Container mit unseren Möbeln und Gegenständen aus Deutschland angeliefert werden würde, fragten wir parallel schon einmal bei Daniels Firma nach einem möglichen Wechsel des Serviced Apartment an. Dann brachen wir nach Bali auf. Immerhin hatte Daniel mehrere Wochen Urlaub genommen und wir wollten die freie Zeit direkt nutzen, um eines der größten Vorzüge Singapurs zu erleben: Das Reisen. Nach unserer Rückkehr zogen wir in ein anderes Serviced Apartment, das nicht nur eine weitaus bessere Ausstattung bot, sondern sogar ein Frühstücksbuffet inklusive hatte.

November

Im November begann Daniels Arbeitsalltag, was für mich bedeutete, dass ich von nun an die meiste Zeit alleine war. Glücklicherweise hatten wir im neuen Serviced Apartment einen Pool und Grünflächen, wo ich viel Zeit mit meinem Laptop verbrachte. Um nicht den ganzen Tag im Apartment zu bleiben, suchte ich mir zudem parallel zu Daniels Arbeitsbeginn einige Co-Working-Spaces heraus, in denen ich im Rahmen von Probeterminen einige Wochentage verbrachte. Von dort aus arbeitete ich viel an meinem Blog und anderen Projekten und versuchte gleichzeitig, Kontakt mit Anderen zu knüpfen. Zudem wurde ich nach langer Zeit mal wieder bei Facebook aktiv und suchte dort nach Aktivitäten und Gruppen für uns, denn ich wollte unbedingt so schnell wie möglich Anschluss finden. Über das Co-Working-Space, das mir am meisten zusagte, haben wir gleich zwei Malkurse besucht, an einer Modenschau teilgenommen und regelmäßig Rooftop Yoga mitgemacht. Im Jypsys gab es jeden ersten Sonntag im Monat Weinverkostungen und darüber hinaus bietet Singapur zig verschiedene Fitnesstudios, in denen wir Probetrainings verabredeten.

An den Wochenenden hatten wir viel mit der Wohnungssuche und der Organisation von Dingen des täglichen Lebens, wie z.B. Mobilfunkverträge, Lebensmittel etc. zu tun. Natürlich nahmen wir uns auch die Zeit, unsere neue Stadt zu erkunden. So probierten wir Restaurants aus, wie z.B. den herrlichen High Tea im Hotel Andaz, oder das Rooftop-Restaurant des berühmten Marina Bay Sands Hotels, und wir besuchten auch zum ersten Mal den beliebten Tanjong Beach Club auf Sentosa.

Blick vom berühmten Rooftop des Marina Bay Sands Hotels

Die Insel Sentosa

Der Monat endete super stressig damit, dass wir uns für ein Apartment entschieden und nunmehr eine Woche hatten, den gesamten Prozess, beginnend mit dem “Letter of Intent”, über die “Stamp Duty”, die Zahlung der Kaution und der ersten Monatsmiete sowie der Anlieferung des Containers zu organisieren. Ende November fand dann die Wohnungsübergabe statt.

DeZember 2019

Der Dezember begann genauso stressig wie der November endete, denn während des Einzugs in die Wohnung waren wir auf uns alleine gestellt. Und da Daniel natürlich trotzdem zur Arbeit musste, war ich den größten Teil im Dezember damit beschäftigt, Kisten auszupacken, die Wohnung einzurichten, Möbelgeschäfte zu recherchieren, Lieferungen und Abholungen zu organisieren und einige Dinge zu besorgen. Es regnete ununterbrochen und zum ersten Mal fehlte mir die Flexiblität und Unabhängigkeit eines eigenen Autos, denn bei Regen schossen die Kosten für Fahrten mit dem Grab in die Höhe.

Nach einem sehr anstrengenden ersten Dezemberwochenende zogen wir dann am 2. Dezember entgültig in unsere Wohnung ein – pünktich zu Daniels Geburtstag, den wir mit einem ersten gekochten Abendessen auf dem Balkon verbrachten. Zwischen Umzugskartons und ohne Balkonmöbel, aber ziemlich erleichtert, dass wir alles geschafft hatten.

Am Nikolaustag, der in diesem Jahr auf einen Freitag fiel, hatte Daniel eine schöne Überraschung für mich: Wir fuhren zum Weihnachtsmarkt in den Gardens by the Bay. Die tropische Version der beliebten Familienattraktion ist so ganz anders, als die in Deutschland, obwohl sich die Singapurer alle Mühe gaben, typische Büdchen und Glühweinstände zu imitieren. Und so schlenderten wir durch die verschiedenen Pop-Up-Hütten, aßen Crêpes und tranken Glühwein und schauten der Lichtershow in den Gardens zu, während nebenan eine tolle Liveband Weihnachtslieder performte. Im Anschluss beschlossen wir, selbst Glühwein und Vanille Kipferl zuzubereiten und gingen auf dem Weg nach Hause noch die nötigen Zutaten besorgen. So verbrachten wir also das erste Wochenende in unserem neuen Apartment zuhause und aßen bei 30 Grad Plätzchen und tranken Glühwein. Frohe Weihnachten!

Mitte Dezember mussten wir nach Deutschland zurückfliegen, um bezüglich unserer alten Wohnung sowie einigen Steuer- und Rentenangelegenheiten noch ein paar letzte Dinge zu organisieren, aber auch, weil Daniel ein paar Tage vom deutschen Büro arbeiten sollte. Das Timing konnte nicht besser sein, denn wir konnten es kaum erwarten, unsere Familien und Freunde wiederzusehen und mit ihnen Weihnachten zu verbringen.
Ich erinnere mich, dass ich Berlin mit einem schweren Herz verlassen habe, aber als wir am 28. Dezember im warmen und sonnigen Singapur ankamen, fühlte es sich erstaunlicherweise durchaus wie ein “Nachhausekommen” an. Immerhin wohnten wir nun nicht mehr im Hotel, oder Serviced Apartment, sondern in unserer eigenen Wohnung mitsamt unseren Möbeln und persönlichen Gegenständen. Nur die Kulisse war eben eine andere.

Nur zwei Tage später brachen wir nach Da Nang auf, um dort Silvester zu verbringen und Vietnam ein wenig zu erkunden. Und rückblickend muss ich sagen, hätten wir die Zeichen erkennen müssen. Denn wie sagt man so schön? So wie man den Silvesterabend verbringt, wird der Rest des darauffolgenden Jahres verlaufen? Nunja, unser Silvesterabend war ein absoluter Reinfall, gelinde gesagt. Und wie 2020 war, wissen wir ja alle.

Januar 2020

Wir verbrachten die erste Woche des Jahres 2020 in Vietnam, wo wir Da Nang und den niedlichen Hafen von Hoi An erkundeten, während China den ersten Tod durch das neuartige Coronavirus meldete. Zurück in Singapur musste Daniel wieder arbeiten, während ich nach wie vor mit unserer Wohnung beschäftigt war. Täglich kamen Handwerker, um vertraglich vereinbarte Reperaturarbeiten durchzuführen bzw. selbst verpfuschte Arbeiten zu korrigieren.

Da wir viel zu organisieren hatten und einige Wochen nicht in Singapur gewesen waren, kannten wir zu diesem Zeitpunkt nach wie vor kaum Leute in Singapur, weshalb wir weiterhin an vielen Aktivitäten teilnahmen, über die wir über Facebook, Meet-Up oder das Co-Working-Space erfuhren. Mittwochs nahmen wir gewöhnlich an einem Yogakurs im Sonnenuntergang teil, während wir donnerstags zum Fit Fam HIIT-Outdoor-Training gingen, das mitten in der Stadt zwischen der atemberaubenden Kulisse des CBDs stattfindet. Daniel fand über Meet-Up auch einige Badmintonspieler, mit denen er sich im Community Center zum Spielen verabredete.

Ende Januar feierte Singapur das chinesische Neujahrsfest mit täglichen Feuerwerken und Paraden und eineinhalb zusätzlichen arbeitsfreien Tagen für Daniel, die wir in Desaru, an der Ostküste von Malaysia, verbrachten. Da Singapur so nah an Malaysia liegt, konnten wir nach Desaru mit einem Bumboat fahren, was ziemlich schnell ging, sich aber auch sehr abenteuerlich gestaltete. Als wir in Malaysia ankamen, mussten wir ungewöhnlich lange an der Immigration warten. Ich erinnere mich noch genau, wie Daniel sagte “Oh, das ist bestimmt wegen des neuen Virus, den sie in China entdeckt haben. Vielleicht lassen sie keine Chinesen mehr rein?” und ich mich noch gefragt habe, warum ein Virus denn zu Grenzverweigerungen führen sollte. Tatsächlich aber setzte China genau an diesem Tag einen Lockdown in Wuhan durch und strich sämtliche Transportmittel, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Offenbar zu spät, wie wir nur kurze Zeit später erfahren würden.

Am Strand von Desaru

Februar 2020

Anfang Februar hörte ich einen Podcast, in dem die App “Bumble“ emphohlen wurde: Eine Dating-App, die auch eine BFF-Funktion hat, über welche man eben auch Freunde finden kann. Ich hatte keine sonderlich großen Erwartungen, aber dachte, man könne es mal ausprobieren, und hatte prompt einige vielversprechenden Matches, die sich – rückblickend betrachtet – als wahre Glücksgriffe erwiesen und sich in kurzer Zeit zu wertvollen Kontakten entwickelten.

Mitte Februar wurde Daniel wieder auf eine Geschäftsreise nach Deutschland geschickt, und da ich in Singapur (noch) niemanden kannte, begleitete ich ihn. Da waren wir also wieder, zurück in Berlin, nur vier Monate, nachdem wir auf die andere Seite der Welt gezogen waren. Freunde und Familienmitglieder freuten sich, uns nach so kurzer Zeit zu sehen, aber dennoch hatten wir ein bisschen den Eindruck, dass es nicht der beste Zeitpunkt war. Denn uns wurde klar, dass wir diesen Rhythmus niemals beibehalten konnten. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir ja nicht ahnen, dass die Reise im Februar unsere letzte Möglichkeit war, Familie und Freunde für eine ganze Weile zu sehen …

Wir verließen Deutschland mit der Erwartung, dass wir meine Eltern spätestens sechs Wochen später zu meinem 30. Geburtstag wiedersehen würden, denn dann wollten sie uns in Singapur besuchen. Auch hatten wir bereits Pläne, im Juni nochmals nach Deutschland zu reisen. Die Verabschiedung war also eher locker und so nach dem Motto „bis in ein paar Wochen“.

Als wir jedoch in Singapur ankamen, hatte sich der kleine Stadtstaat völlig verändert. An den Flughäfen befanden sich überall Temperaturscanner und Wärmebildkameras, die Immigration dauerte ungewöhnlich lange und überall standen Desinfektionsmittelspender bereit. Wir erfuhren außerdem, dass Singapur gerade das Dorscon Level Orange ausgerufen hatte, was zu Hamsterkäufen und leeren Supermärkten führte. Trotz der zunehmenden Restriktionen konnten wir den verbleibenden Teil des Februars aber noch ausgiebig nutzen, um meine vielen Bumble Matches kennenzulernen und waren sogar noch einmal übers Wochenende in Phuket. Wobei das – rückblickend betrachtet – ziemlich riskant war, da Singapur genau einen Tag nach unserer Rückkehr eine Quarantäne-Order für alle Reisenden aus Thailand einführte und kurz darauf sogar die Einreise für Ausländer (zu denen wir zählen) komplett stoppte.

März 2020

Anfang März waren wir so damit beschäftigt, Leute von Bumble kennenzulernen, dass wir kurzzeitig darüber nachdachten, die Treffen einzuschränken. Wir konnten uns die vielen „ersten Dates“ in Restaurants und Cafés in diesem Pensum schlichtweg nicht leisten. Zudem sollten meine Eltern ja im April kommen und in der Zwischenzeit hatte sich auch meine Freundin Lisi für einen Besuch angemeldet. Wir beide wollten noch vor meinem Geburtstag auf die Philippinen fliegen und auch Daniel und ich hatten schöne Pläne hinsichtlich meines Geburtstags.

Während wir also damit beschäftigt waren, unsere Ausgaben einzuschränken, blieb Mitte März plötzlich die Welt stehen. Dies kam genau zu dem Zeitpunkt, als meine Freundin sich auf dem Weg zu uns befand. Als Lisa in Singapur ankam, war auf einmal alles anders. Und da sie weder auf die Philippinen fliegen, noch sonst wo hinreisen konnte, entschieden wir, dass sie bei uns in der Wohnung bleiben könnte, bis die Grenzen sich wieder öffneten würden, oder eben maximal bis zu ihrem geplanten Rückflug vier Wochen später. Was für Lisa eher ärgerlich war, stellte sich für mich als das Beste heraus, was mir passieren konnte: Endlich war ich nicht mehr tagein tagaus alleine, sondern konnte jemandem an meinem neuen Leben teilhaben lassen. Gemeinsam erkundeten wir Singapur, gingen in die Beach Clubs auf Sentosa, besuchten Sehenswürdigkeiten und Foto-Hotspots, wanderten im MacRitchie Nature Reserve, genossen unzählige Aperol Spritz auf tollen Rooftop-Bars und gingen ausgiebig shoppen. Leider wurden die Restriktionen in Singapur aber mit jedem Tag strenger und immer mehr Orte mussten Lisa wegschicken, da sie kürzlich aus Deutschland eingereist war und Singapur eine klare “No Travel Policy” verfolgte, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Ende März beschloss Lisa, einen neuen Flug zurück nach Berlin zu buchen, da ihr ursprünglicher Flug gestrichen wurde und immer mehr Fluggesellschaften am Boden blieben. Und als hätte sie es geahnt, schloss Singapur genau am Tag ihrer Abreise alle Bars und Clubs.

April 2020

Im April waren wir wieder allein in Singapur. Die meisten unserer neuen Bekanntschaften befanden sich in der der zuvor eingeführten 14-tägigen Stay-Home-Notice (Quarantäne) und Singapur kündigte inzwischen täglich strengere Maßnahmen an. Am 3. April erklärte Singapur dann den kompletten April für eine “Circuit Breaker” Zeit, was eigentlich nichts anderes als einen Lockdown bedeutete. Ich war am Boden zerstört, denn mein Geburtstag stand vor der Tür, und die neu angekündigten Messungen bedeuteten für mich, dass ich nicht nur niemanden sehen durfte, sondern es mir zu allem Überfluss nicht mal gestattet war, die Wohnung zu verlassen.

Wir verbrachten das letzte Wochenende in „Freiheit“ mit unseren amerikanischen Freunden, die gerade aus der Stay-Home-Notice kamen. Einmal wollten wir noch die Chance haben, bei unserem Lieblingsgriechen zu essen, bevor Singapur für vier Wochen (und tatsächlich dann zwölf Wochen) jegliches soziales Leben zum Stillstand bringen würde.

Den April verbrachten wir also unendlich viel zu Hause. Mit kleinen Routinen versuchten wir, die Wochen rumzubekommen. So holten wir uns zum Beispiel Freitags immer Pizza von Publico für 25% und liefen an Wochenenden oder Home Office Tagen zum französischen Bäcker in Tiong Bahru, um uns Pain Au Chocolat für’s Frühstück auf dem Balkon zu holen. Zumindest kulinarisch waren wir also weiterhin versorgt, auch wenn der Supermarkt um die Ecke regelmäßig leergekauft war und wir wochenlang keine Grundnahrungsmittel wie Mehl oder Nudeln bekamen. An den Wochenenden und abends gingen wir zudem häufig in den umliegenden Parks laufen, um einen freien Kopf zu bekommen.

Meinen 30. Geburtstag habe ich dann im totalen Lockdown verbracht. Und obwohl Daniel alles gegeben hat, damit ich einen schönen Tag habe (samt super-süßem, selbst designtem Kuchen, Ballons und vielen Videobotschaften von Familie und Freunden aus aller Welt), war es ein eher trauriger Tag für mich. Doch die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Juni trug mich durch den April.

Ende April kündigte Singapur jedoch eine Verlängerung des Circuit Breaker um weitere vier Wochen an.

Mai 2020

Und während wir den größten Teil des Mai auf den 01. Juni hinfieberten, wurde im Mai eine zweite Verlängerung des Lockdowns verkündet, diesmal ohne konkretes Enddatum. Ich nutzte die Zeit, um intensiv an diesem Blog zu arbeiten und schrieb Hotels und Reiseunternehmen für „die Zeit nach Corona“ an. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Reisen aus Singapur für unsere gesamte Aufenthaltsdauer nicht mehr möglich sein würden.

Juni 2020

Den größten Teil des Junis verbrachte ich also weiterhin zuhause, während Daniel zur Arbeit fuhr (seine Arbeit gilt als systemrelevant). Für mich waren die Wochentage schrecklich und ich fragte mich mehr und mehr, wofür ich das eigentlich machen würde. Denn ich hatte ja weder einen Job, noch besonders viele Bekanntschaften in Singapur, auf die ich mich nach einem Lockdown freuen könnte und die Hoffnung auf eine Heimreise Ende Juni schwand ebenfalls dahin. Wir hatten erste Gespräche, Singapur vorerst oder gar endgültig zu verlassen. Viele meiner Gedanken verarbeitete ich in Blogbeiträgen, manche davon habe ich nie veröffentlicht.

Ende Juni kündigte Singapur dann aber endlich doch relativ unverhofft die zweite Phase der stufenweisen Wiedereröffnung der Wirtschaft an, was vor allem für Restaurants und Bars bedeutete, dass sie ab dem 19. Juni wieder öffnen durften. Eine großartige Nachricht auch für uns, die wir endlich wieder Menschen aus einem anderen Haushalt sehen konnten, obwohl die maximale Gruppengröße seither auf fünf beschränkt ist und das Tragen von Masken überall in Singapur nach wie vor Pflicht ist.

Juli 2020

Im Juli beschlossen wir, das Beste aus dem ungeplanten „langen Aufenthalt“ in unserer eigenen Stadt zu machen, die wir bis dahin ohnehin noch nicht so gut kannten. Eine Reise durch Singapur war geplant. Und so schmiedeten wir Pläne, um verschiedene Stadtviertel, Nachbarschaften, Bars, und Cafés zu besuchen und unternahmen lustige Aktivitäten mit Freunden.

August 2020 & September 2020

Die Erkundung Singapurs wurde im August und September fortgesetzt und wir weiteten den Radius auf die umliegenden Inseln aus. Während wir für den größten Teil beider Monate auf eine weitere Lockerung der Beschränkungen hofften, habe vor allem ich das stündliche Checken der News gegen Ende September irgendwann aufgegeben. Es passierte ja doch nichts und frustrierte mich am Ende mehr, als es mir nützte. Gleichzeitig haben wir zu dieser Zeit begonnen, uns gedanklich schon mal darauf einzustellen, auch an Weihnachten nicht nach Deutschland fliegen zu können …

Oktober 2020

Und hier sind wir nun, ein Jahr in Singapur. Am 16. Oktober sind wir im verregneten Berlin aufgebrochen und am 17. Oktober im warmen und sonnigen Singapur angekommen. In einem Jahr ist so viel passiert, und doch fühlt es sich überhaupt nicht an, als wären wir ein Jahr hier gewesen. Vielleicht, weil vor allem die zweite Hälfte unseres Jahres hier nicht so ereignisreich wie erwartet war und leider von vielen Unsicherheiten, Zukunftsängsten und Zweifeln überschattet war. Und doch haben wir es bis hierher geschafft. Gerüchten zufolge ist Phase 3 sehr nahe (auch wenn wir dem eigentlich schon seit Monaten entgegensehen), und Singapur hat gerade seine erste Travel Bubble mit Hongkong angekündigt, die schon bald umgesetzt werden soll.

Gleichzeitig bricht über Europa wohl aktuell die befürchtete zweite Welle einher und viele Länder wehren sich mit strengeren Maßnahmen und teilweise sogar erneuten Lockdowns. Der so sehnliche Wunsch, das Licht am Ende des Tunnels, Weihnachten in Deutschland im Kreise der Familie zu verbringen, rückt damit in immer absehbare Ferne und wir müssen uns wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass wir hier unsere eigenen Traditionen schaffen müssen. Immerhin sind wir ja nicht ohne Grund ins Ausland gezogen und auch Niederschläge gehören wohl dazu. Trotzdem muss ich ganz offen sagen, dass es nicht immer einfach für uns ist und dass unser Auslandsaufenthalt von vielen negativen Einflüssen und Vorkommnissen geprägt ist. Da fällt es nicht immer leicht, die positiven Dinge zu sehen und das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Denn wir sind hier mit dem Wissen hergekommen, immer nur ein Flug von der Heimat entfernt zu sein. Dass wir nun nicht mehr so einfach „nach Hause kommen“, macht die Auslandserfahrung dadurch viel intensiver.

Hoffen wir, dass Singapurs langsamer und stetiger Weg zurück der richtige war, auch wenn er von uns einen ganz schön langen Atem abverlangt hat. Immerhin haben wir uns hier zu keiner Zeit unsicher gefühlt, das ist ja auch schon was wert. Und wer weiß, vielleicht hatte das ja doch alles noch einen positiven Grund, den wir erst später (hoffentlich bald!) erfahren werden.

Das erste Jahr in Singapur ist für uns nun zu Ende, aber das Kalenderjahr ist es noch nicht. Deshalb hoffen wir sehr, dass die letzten Monate in 2020 schöner gestalten, als das Jahr bisher verlaufen ist. Aber ich bin da ganz positiv, denn eigentlich kann es nur besser werden. 😉


1 Comment

  • Lange, Alice

    Hallo Ihr Lieben,
    erst ein mal möchten wie uns für Euren tollen Beitrag bedanken!
    Wir planen Ende Februar – Anfang März 2023 eine Reise nach Singapur mit unserer 14 jährigen Tochter. Diese Reise dient zur Erkundung von Singapur um uns zurecht zu finden, da mein Mann ab Juli 2023 für 2 Jahre dort dienstlich tätig sein wir und unsere Tochter und ich ihn für erstmal ein Jahr begleiten werden. Diesbezüglich stellt sich direkt meine erste Frage ,wie ihr an eine Wohnung in Robertson Quay gekommen seid. Ich habe ihm Internet recherchiert und diesbezüglich keine Vermittlung gefunden. Es wäre so großartig wenn Ihr einen Tipp für uns hättet!
    In diesem Sinne verbleiben wir mit den besten Weihnachtsgrüßen aus Schleswig-Holstein:) und hoffen auf eine Antwort eurer seits.
    Alice und Matthias Lange

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