Freundschaften in und aus der Ferne

Wer sich für ein Leben im Ausland entscheidet, muss sich alles neu aufbauen. Dazu gehören auch ein soziales Netzwerk, Bekanntschaften und schließlich Freundschaften. Als wir in Singapur ankamen, kannten wir genau eine Person. Na gut, drei, wenn man Daniels Kollegen mitzählt. Die idealen Voraussetzungen, um sich völlig neu in der Gesellschaft zu positionieren und auch zu etablieren (mal so ganz positiv formuliert). Aber auch ziemlich monoton, schwerfällig, frustrierend. Gerade für mich war es zu Beginn sehr herausfordernd hinzunehmen, dass mein einziger sozialer Kontakt mein eigener Partner war. Natürlich ist er nicht ohne Grund mein Ehemann und ich bin froh, ihn an meiner Seite zu haben. Trotzdem kann auch das eintönig und gar ambivalent sein, wenn es eben immer nur die gleiche Person ist. Hat einer einen schlechten Tag, dann zieht er den anderen vielleicht schneller runter, als ihm lieb ist. Wir haben mit der Zeit auch festgestellt, dass wir viel eher einer Meinung oder einer Ansicht sind. Der Einfluss Dritter ist halt nicht mehr gegeben und fehlt an einem Punkt auch deutlich. Wenn man nicht aufpasst, bleibt man noch in diesem Konstrukt im fremden Land gefangen. So nach dem Motto „wir gegen den Rest“. Das wollten wir natürlich verhindern und haben verschiedene Strategien verfolgt, um schnellstmöglich Anschluss zu finden.

Wo und wie findet man Freunde im Ausland?

Für uns war es die höchste Priorität, so schnell wie möglich Kontakte zu knüpfen. Zu Beginn waren wir zwar viel mit der Wohnungssuche und einigem organisatorischem Kram beschäftigt, aber dennoch haben wir selbst die Treffen mit dem Makler oder die Recherche nach einem geeigneten Handyvertrag dazu genutzt, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. 

Hotspots finden und sich dort aufhalten

Zum Beispiel haben wir versucht, Hotspots zu detektieren und haben uns dort vorsätzlich zu stark frequentierten Zeiten aufgehalten. Schnell haben wir erkannt, dass sich die Expat-Familien samstags nach dem wöchentlichen Yoga bei Yoga Movement bzw. nach einem Kurs bei Orange Theory in der Martin Road alle im Common Man Coffee Roasters versammeln. Also sind wir dort auch hingegangen und haben so versucht, in Kontakt zu kommen. 

Unter der Woche, wenn Daniel auf der Arbeit war, bin ich auch häufig alleine in ein Café gegangen und habe von dort aus gearbeitet, in der Hoffnung, in Kontakt mit anderen Selbstständigen zu kommen. Das ging auf Dauer ziemlich ins Geld und war leider auch nicht die richtige Strategie (für uns), denn zumindest unserer Erfahrung nach, sind die Leute zu beschäftigt mit sich selbst, bleiben in ihrer eigenen Blase und sind dadurch nicht mehr so offen gegenüber „Neuen“ – leider. Somit fiel es uns zunehmend schwer, in Kontakt zu kommen. Während wir ganz am Anfang noch voll euphorisch samstags zum Café gingen und die Leute am Nachbartisch quasi anstarrten (dass wir neu waren, muss uns im Gesicht geschrieben gewesen sein!!), fühlte sich es mit der Zeit immer komischer an, insbesondere, sich als „die Neuen“ vorzustellen, wo wir doch gar nicht mehr so neu waren. Je mehr Zeit ins Land ging, desto eher fragten wir uns, was wir falsch machten, denn die anderen schienen ja auch irgendwie in Kontakt gekommen zu sein – nur wir nicht?!

Coworking Spaces & Member Clubs

Da Daniel jeden Tag ins Büro ging, wollte auch ich einen Platz haben, wo ich regelmäßig hingehen könnte. Für mich kam deshalb neben den Cafés auch ein CoWorking Space in Frage. Hier hätte ich einen festen, oder auch flexiblen Arbeitsplatz und könnte an meinen Projekten aus Berlin arbeiten, vielleicht aber auch Kontakte für Arbeit in Singapur knüpfen. Ich habe mehrere Angebote ausprobiert (WeWork, The Hive, Crane Club, 1880 Singapore), bin aber ziemlich schnell beim The Hive geblieben, da ich mich dort mit Abstand am wohlsten gefühlt habe. Zu einer echten Mitgliedschaft kam es bisher zwar nicht, aber die Location Managerin ist sehr bemüht, mich in die Gemeinschaft des CoWorking Spaces zu integrieren und wir haben darüber schon mehrere wirklich nette Bekanntschaften schließen können. 

Social Events

Unter anderem durch das Angebot des CoWorking Spaces The Hive, aber auch über Facebook habe ich zudem verschiedene Aktivitäten in Singapur rausgesucht, an denen wir teilnehmen und mitunter hoffentlich auch Kontakte knüpfen konnten. So waren wir bei einer Modenschau von lokalen Designern, bei mehreren Zeichenkursen, zwei Weinproben, einem Vinyl/Records Event und anderen tollen Veranstaltungen. Es haben sich darüber zwar bisher keine Freundschaften ergeben, aber zumindest kamen wir so mal raus aus der Wohnung und konnten ein bisschen Gesellschaft schnuppern und das Leben in Singapur genießen.

Kontakt über Sport

Gleichzeitig meldeten wir uns auch bei verschiedenen Sportaktivitäten an. Auch hier wieder in der Hoffnung, über die gemeinsame Bewegung und ähnliche Interessen Bekanntschaften zu schließen. Das hat zu Beginn eher schleppend geklappt, denn wie wir erfahren mussten, sind die Asiaten eher zurückhaltend und scheu und als Pärchen kamen wir uns irgendwie blöd vor, auf fremde Pärchen zuzugehen und nach einem Badminton Match zu fragen (abgesehen davon spiele ich kein Badminton und Daniel ist quasi Profi; die Chance, eine ähnliche Konstellation zu finden war also sehr unwahrscheinlich). Über die App “Meet Up” haben wir aber dennoch einige Gruppen gefunden, die sich in ihrer Freizeit treffen, um zusammen Sport zu machen. Unter anderem auch Badminton, nur eben nach Leistungsgruppen sortiert. Bei dieser Art von Gruppen nehmen viele zum Zweck der sozialen Kontaktaufnahme teil, also sank auch für uns die Hemmschwelle, Leute anzusprechen bzw. es ergab sich von alleine. 

Social Media: MeetUp, Bumble, Facebook & Co

Neben MeetUp habe ich tatsächlich die besten Erfahrungen über die App “Bumble” gemacht. Hier gibt es neben einer Dating- und einer Businessfunktion auch die sogenannte “Bumble BFF”-Sparte. Dort kann man mittels Matches (ähnlich wie bei Tinder) Bekanntschaften per App aufbauen. Die App wirkt auf mich zwar nach wie vor sehr oberflächlich (denn eigentlich entscheidet man am Aussehen, ob der andere ein potenzieller BFF sein könnte), aber ich muss dennoch sagen, dass meine Matches fast ausschließlich richtig gut waren. Es scheint also zu funktionieren. Beim ersten Bumble-Treffen war mir zwar ein bisschen mulmig, denn es ist durchaus ungewohnt und ein wenig beängstigend, sich mit einer fremden Person in einer neuen Stadt zu treffen, aber das Treffen hat mich nicht enttäuscht! Wir haben uns richtig gut verstanden und durch diesen Kontakt haben sich wiederum weitere ergeben, woraus inzwischen ein kleiner Freundeskreis entstanden ist. Das hat mich natürlich ermuntert, am Ball zu bleiben und so haben sich in kurzer Zeit über Bumble viele neue, unterschiedliche Kontakte aus verschiedensten Ländern ergeben, die ich alle sehr zu schätzen weiß. 

Übrigens habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sich mit “Fremden”, die man im Ausland trifft, viel schneller verbündet fühlt. Man hat ähnliche Interessen, mitunter auch ein gleiches Mindset. Kein Wunder, hat man doch schon die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Erfahrungen mit dem Gang ins Ausland gemacht und befindet sich dadurch schlichtweg in der gleichen Situation. Das hilft ungemein beim Bonding. Man wächst hier auf jeden Fall deutlich schneller und intensiver zusammen, als man es wohl innerhalb seiner Comfort Zone in der Heimat tun würde.

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Was passiert mit den Freundschaften aus dem Heimatland?

Ganz ehrlich: Nicht jede Freundschaft verträgt die Distanz. Manch ein Freund kann mit dem “neuen” Leben nicht so viel anfangen, andererseits fällt es auch zunehmend schwer, sich selbst mit seinem “alten” Leben zu identifizieren. Die Erfahrungen, Erlebnisse und Interessen verändern sich, decken sich mitunter nicht mehr mit denen der „alten“ Freunde. Man selbst verändert sich auch und muss vielleicht feststellen, dass man mit dem einen oder anderen nicht mehr zusammen passt. Die Distanz und Zeitumstellung trägt auch nicht unbedingt Positives zum Pflegen der Freundschaften bei. Aber: Wer ins Ausland geht, riskiert auch, dass sich in der Heimat etwas verändert. Das kann man nur schwer beeinflussen. Man kann aber dran arbeiten, wenn es einem wichtig ist!

Wie hält man Kontakt aus der Ferne?

Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass sich feste Routinen positiv auf Stabilität und damit auch auf Freundschaften auswirkt. Wenn man feste Tage ausmacht, an denen man miteinander spricht, dann verliert man sich nicht aus den Augen und kann mehr am Leben des anderen teilhaben. Mit mehreren guten Freundinnen schicke ich zum Beispiel mehrmals wöchentlich Sprachnachrichten über What’s App. Da hat sich eine Routine entwickelt: Ich mache mir morgens einen Kaffee, beziehe das Bett und schmeiß mir meist meine Sportsachen an, während ich meine FreundInnen update. Im Gegenzug bekomm ich meist eine Antwort am Naschmittag, wenn sich meine FreundInnen in Deutschland gerade fertig machen oder zur Arbeit fahren. Der feste Rhythmus tut gut, ich fühle mich dadurch nicht vergessen. Mit unseren Eltern telefonieren wir meist am Wochenende, das ist auch schön, vor allem weil wir das früher gar nicht so gemacht haben (da hat man sich aber auch getroffen) und es uns gut tut, von der Woche zu erzählen und unsere Erlebnisse auch zu resümieren. Ein Freund von uns in Singapur telefoniert seit seinem Umzug hierher jeden Sonntag um 21:00 Uhr mit seiner Mutter. Und das ist für ihn ein wichtiger Bestandteil der Woche, danach plant er tatsächlich sogar seine Termine. Man sieht also: Routine und feste Dates können ungemein helfen, die Beziehung zu halten und zu pflegen.

Besuche aus der Heimat

Besonders schön ist es natürlich für uns auch, unseren Freunden und Familie aus der alten Heimat unseren neuen Wohnort zu zeigen. Deshalb freuen wir uns über jeden einzelnen Besucher, sei es für einen Zwischenstopp oder auch einen längeren Aufenthalt. Vielleicht kann man das ja sogar mit einer gemeinsamen Weiterreise in eines der umliegenden Länder verbinden. Da bleibt man dann automatisch im regen Austausch, und wenn es nur um die Planung im Vorfeld oder das Austauschen von Fotos und Erlebnissen im Nachhinein geht. Im März war zum Beispiel meine gute Freundin Lisa bei uns. Ich muss sagen, das hat uns echt gut getan, jemandem aus der alten Heimat zu zeigen, wie man jetzt so lebt, wo man sich aufhält und wo es den besten Kaffee gibt.

Dranbleiben!

Man kann viele Freundschaften schließen, aber das wichtigste ist immer noch das Dranbleiben. Bekanntschaften kann man ausbauen, Freundschaften muss man pflegen. Das alles erfordert eine Menge Arbeit und mitunter auch zeitliche Investition. Gerade deshalb ist es wichtig, dass man hinterher ist, Interesse zeigt, sich regelmäßig verabredet oder zumindest meldet um auch den Kontakt in die Heimat nicht zu verlieren.


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